👋 It’s time to say Goodbye

Ab dem 23.02.2025 ist der der 9-Euro-Fonds nicht mehr aktiv!

Über 35.000 ersetzte Tickets, 4.000 bezahlte Erhöhte Beförderungsentgelte, viele direkte Aktionen für gerechte und nachhaltige Mobilität: Das war der 9-Euro-Fonds. Seit September 2022 setzen wir die Idee des 9-Euro-Tickets selbst organisiert fort. Damit wollten wir politisch für eine Wiedereinführung eines günstigen Nahverkehrs für alle eintreten. Heute, gut zwei Jahre später, haben sich über 31.700 Menschen an der Aktion beteiligt. Die Vision eines ständigen 9-Euro-Tickets ist trotzdem in weite Ferne gerückt – und wir beenden die Aktion. Warum? Das erklären wir in diesem Text.

Rückschau: Das war der Fonds

Für nur 9 Euro an die Ostsee fahren, täglich in der Stadt unterwegs sein, zur Demo kommen: Im Sommer 2022 zeigte sich unverhofft ein Schimmer einer sozial-ökologischen Zukunft. Als Entlastung der Bevölkerung in der Energiekrise führte die Ampel-Regierung ein deutschlandweites ÖPNV-Ticket für 9 Euro ein. Das 9-Euro-Ticket war ein Erfolgsmodell: in der Bevölkerung beliebt, als Maßnahme nicht übermäßig teuer und gleichzeitig wirksam darin, Menschen in der Inflation finanziell zu entlasten und zum klimafreundlichen Umstieg vom Auto auf den ÖPNV zu bewegen. Kaum zu glauben also, dass es nach dreimonatiger Laufzeit von der Ampelregierung beendet werden sollte.

Das Ende des Tickets war der Startschuss für den 9-Euro-Fonds: Wir wollten uns die gute Mobilität für alle nicht mehr nehmen lassen – und das 9-Euro-Ticket selbst fortsetzen. Die Idee: Alle, die mitmachen, zahlen 9 Euro in einen gemeinsamen Fonds ein und fahren im ÖPNV – dann eben ohne Fahrschein. Wenn nun Mitglieder dafür zur Kasse gebeten werden sollten, dann würden wir das Erhöhte Beförderungsentgelt aus dem gemeinsamen Spendentopf bezahlen. Der Fonds führte so das 9-Euro-Ticket zivilgesellschaftlich weiter und entlastete Menschen mit wenig Geld. Gleichzeitig wollten wir mit unserer direkten Aktion politischen Druck für eine Wiedereinführung des 9-Euro-Tickets aufbauen.

Auf dem Weg zu unserer niedrigschwelligen Aktion zivilen Ungehorsams galt es jedoch, einige Hürden zu überwinden. Die Erste: Frühere Aktionen von Freifahrgewerkschaften oder Ticketstreiks waren zum Teil mit der Anklage der „Erschleichung von Leistungen“ konfrontiert worden. Unsere Vorkehrung: Mit der Fondsmitgliedschaft konnten sich Mitglieder Sticker mit der Aufschrift „9 Euro Fonds – ich fahre ohne Fahrschein“ bestellen. Mit dieser Transparenzoffensive wollten wir Mitglieder gegen den Vorwurf des „Erschleichens von Leistungen“ absichern. Die Rechtsprechung ist hierzu unklar – sollte es dazu kommen, wollten wir mit einem Urteil, dass wer sichtlich erkennbar ohne Ticket unterwegs ist, nicht unter den Paragrafen der “Erschleichung” fällt, für einen Präzedenzfall sorgen.

Die zweite Hürde: Wie bekommt man ohne Rechtsform und mit einer legal eher zwielichtigen Aktion wie dem 9-Euro-Fonds ein Konto, ohne dass Einzelpersonen dafür juristisch den Kopf hinhalten müssen? Nach einigem Hin und Her schlüpfte der Fonds organisatorisch unter die Flügel der Partei die PARTEI. Parteien genießen durch ihre Rolle bei der politischen Meinungs- und Willensbildung rechtlich besonderen Schutz. Als Teil der Partei war der Fonds somit gegen Strafverfolgung abgesichert. Eine wichtige und interessante Erkenntnis für Aktivist:innen, die mit kontroversen Aktionen die Öffentlichkeit aufmischen wollen.

Darüber hinaus entwickelten wir gemeinsam mit der Partei einen Hack – mit dem Staat gegen den Staat. Dadurch, dass der Fonds Teil der PARTEI wurde, galten die Mitgliedschaften als Parteispenden – die vom Staat zu 45% finanziell gefördert werden. Mit dem weiteren Geld, das so durch die Parteienfinanzierung in unseren Fonds floss, vereinbarten wir eine Kooperation mit dem Freiheitsfonds: Er würde mit diesem zusätzlichen Geld Gefangene freikaufen, die wegen ticketlosem Fahren im Knast sitzen. So konnten wir mit unserer Aktion auch bis heute 1000 Tage Haft für Menschen verhindern, die wegen Fahren ohne Ticket inhaftiert waren.

Warum nun aufhören?

Nachdem wir unseren Mitgliedern mitgeteilt hatten, dass wir den 9-Euro-Fonds beenden, fragten viele nach den Gründen. In diesem Text wollen wir sie erklären und über Perspektiven nachdenken.

Aktion ohne politisches Handlungsfenster
Wir haben den 9-Euro-Fonds gestartet, um für sozial gerechte und klimafreundliche Mobilität für alle einzutreten – konkret für die Wiedereinführung des 9-Euro-Tickets. Während wir zu Anfang sogar diskutierten, ob wir die Forderung nach einem 29-Euro-Klimaticket vertretbar finden, hat uns die Realität inzwischen abgehängt. Erst kostete das Ticket 49 Euro, jetzt 58 Euro und bald wahrscheinlich wieder den zuvor regulären Preis, nur deutschlandweit. Übrig geblieben ist von dem visionären Projekt nur die Digitalisierung und Entbürokratisierung – für unsere Forderungen nach klimafreundlicher und sozial gerechter Mobilität gibt es aktuell kein realpolitisches Fenster mehr. Die Aktion erscheinen uns deshalb aktuell nicht als vielversprechende Diskursintervention: Der Zug ist ohne uns abgefahren.

Der Fonds als Brückentechnologie: Mobilitätsgerechtigkeit ist eine staatliche Aufgabe
Mit dem Fonds wollten wir eine Brückentechnologie für die mobile Zivilgesellschaft schaffen, bis die Bundesregierung das 9-Euro-Ticket wieder einführt. Doch stattdessen sahen wir uns immer stärker in der Rolle, staatliches Versagen auszugleichen. Das Problem: Mit unserer Aktion konnten wir solidarisch erhöhte Beförderungsentgelte bezahlen und in den letzten Jahren viele Menschen unterstützen – unsere Mitglieder machten sich aber weiterhin potenziell strafbar. Zudem sind wir der Überzeugung, dass es schlussendlich eine staatliche Aufgabe ist, Mobilitätsgerechtigkeit herzustellen – für die wir politisch kämpfen wollen. Aktuell schließt der Fonds eher notdürftig Lücken, die die Politik aufreißt.

Direkte Hilfe vs. Dienstleistungsmentalität
Von den Mitgliedern im Fonds bekamen wir sehr unterschiedliche Rückmeldungen. Einige schrieben uns, dass sie sich vom Ausbildungsgehalt kein Monatsticket leisten können, aber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren müssen. Rentner:innen berichteten, dass sie den Busverkehr zum Arztbesuch von der Grundsicherung nicht bezahlen können. Die Mails dieser Fonds-Mitglieder bewegen uns und machen es schwer, ihn zu schließen. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass es staatliche Aufgabe ist, für diese Menschen gute und gerechte Mobilitätsinfrastruktur zu schaffen und setzen uns dafür weiterhin politisch ein. Auf der anderen Seite gab es auch Mitglieder, die den Fonds schließlich eher als eine Art Dienstleistung begriffen – das war für uns nicht immer ganz einfach, da die Nutzung für uns auch immer eine politische Aktion sein sollte.

Zum Ende kommen und Platz für Neues schaffen
Auch mal zum Ende kommen: Kampagnen und politische Organisationen neigen dazu, immer weiter zu machen, auch wenn ihr politischer Moment verflogen ist. Dann fristen sie in der Öffentlichkeit nur noch ein Schattendasein. Wir glauben, dass das für die aktivistische Szene eher ein Problem ist: Denn Initiativen, die nicht mehr fliegen, binden Ressourcen und verhindern, dass etwas Neues entstehen kann. Wir beenden den Fonds auch, weil wir den Weg frei machen wollen für den nächsten Coup – von uns oder anderen!

Was nun?

Ressourcen (ver)teilen
Als unsere Kampagne an Zugkraft verlor, haben wir auf unsere Ressourcen gesetzt und Geld dahin verteilt, wo es die größte politische Wirkung entfalten konnte: Zum Beispiel an unsere Schwesterkampagne den Freiheitsfonds, die sich für die Entkriminalisierung von Fahren ohne Ticket einsetzt und Menschen aus dem Knast freikauft. Oder an die Initiative „Sanktionsfrei“, mit der wir ein Klimageld für Bürgergeldbezieher:innen finanzierten, um öffentlich zu machen, wie wichtig ein sozialer Ausgleich für die Akzeptanz von Klimapolitik ist. Mit dem Geld, das wir im 9-Euro-Fonds nun übrig haben, machen wir das wieder – und spenden es an den Freiheitsfonds. Unser Ziel: nicht einfach Geld aufzusaugen, sondern das linke Ökosystem zu stärken.

Darüber hinaus setzen wir zum Schluss unserer Aktion noch einmal ein politisches Zeichen: Wir haben in den letzten zwei Monaten gemeinsam mit der PARTEI den 9-Euro-Fonds zum 0-Euro-Fonds gemacht. Im Bundestagswahlkampf wollen wir zeigen, dass Mobilität ein Grundrecht für alle ist – und wir die Vision eines ticketfreien ÖPNV nicht aufgeben! Außerdem bedanken wir uns mit den kostenfreien Monaten bei unseren Mitgliedern dafür, dass sie uns nun im 30. Monat die Treue halten!

Wer nichts wagt, der:die nichts gewinnt
Als wir die Kampagne starteten, haben wir gemerkt, dass viele Menschen über Organizing sprechen und darüber, sich für weniger privilegierte Menschen einzusetzen, die Schwelle, etwas Neues zu wagen, jedoch sehr hoch zu sein scheint. Wir waren sowohl mit Vertreter:innen von NGOs als auch Parteijugenden im Gespräch – am Ende überwog jedoch bei Vielen die Sorge vor einer rechtlich nicht hundertprozentig abgesicherten und provokanten Aktion. Wer aber nichts wagt, der:die nichts gewinnt. Und so bleiben Aktionen zu häufig im erwartbaren, abgesicherten politischen Raum. Unser Appell: Wer viele Ressourcen hat, kann viel bewegen. Und zwischen Pressekonferenz und Sabotage gibt es viel Raum für kreative Kampagnenansätze – wenn man es sich traut!

Das Parteiengesetz ist mächtig
Etwas Wagen: Das bedeutete für uns auch, nicht immer ganz rechtlich abgesichert zu sein. So lernten wir in unserer Arbeit im Fonds auch die Macht der Parteiengesetzgebung kennen – sowohl, was die rechtliche Absicherung von Aktionen am Rand der Legalität angeht, als auch in Bezug auf die Parteienfinanzierung, über die unsere Aktion ordentlich staatlich bezuschusst wurde. Eine Partei bewegungspolitisch nutzen – das ist etwas, was die rechte Szene mit der Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ schon lange macht. Hier lohnt es sich, in der Zukunft mit anderen Aktionen weiter zu denken.

CopyCat: Ansätze kopieren
Wir haben von anderen Initiativen vor uns gelernt: Die Idee, überhaupt einen Fonds zu gründen, war inspiriert vom Freiheitsfonds und Sanktionsfrei. Wir konnten von gescheiterten Aktionen vor uns wie den Freifahrgewerkschaften in Deutschland lernen und ähnlichen erfolgreichen Initiativen in Schweden und Frankreich. Wir laden Euch nun ein, dasselbe zu tun: Kopiert den Fonds, verändert ihn und passt ihn an – damit der neue Coup kommen kann!

Zum Schluss: ein großes Danke!
Wir bedanken uns bei allen, die mitgemacht, zu Beginn Starthilfe gegeben und dem Fonds vertraut haben! Es hat uns großen Spaß gemacht, mit euch ungehorsam für Mobilitätsgerechtigkeit zu sein, ÖPNV durch die Stadt zu fahren, zu demonstrieren und Volker Wissing einzuheizen. Let’s drive on

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